ghanaisches Schulsystem

theoretisch:


Neben den öffentlichen Schulen gibt es noch zahlreiche Privatschulen und Koranschulen. Alle sind jedoch nach dem gleichen Muster (siehe Abbildung) aufgebaut, sodass frei zwischen den Schulen gewechselt werden kann. Meistens bilden Pre-School, Primary und JHS eine Einheit. Das ist logisch, denn die Basisausbildung auf den öffentlichen Schulen ist kostenlos. Erst ab der SHS müssen Schulgebühren bezahlt werden, unabhängig davon, ob die Schule staatlich oder privat ist.

Die Unterrichtssprache ist Englisch. Bis zur Primary 3 soll jedoch in einer der lokalen Sprachen unterrichtet werden, damit diese nicht vollständig in Vergessenheit geraten. Englisch gibt es vorerst also nur als einzelnes Fach.

Ein Schuljahr besteht aus drei Terms. Die genaue Länge dieser Terms wird für staatliche Schulen zentral festgelegt. In privaten Schulen weicht sie oft ab und somit auch die Länge und Lage der Ferien. Im letzten Schuljahr hat unsere Schule am  6. September mit dem Term angefangen, die öffentlichen Schulen eine Woche später. Die Ferien gab es dann 15 Wochen später. Der zweite Term erstreckte sich vom 10.01.2012 bis zum 12.04.2012 und der letzte hat am 2. Mai angefangen und wird am 2. August beendet. Wir hatten somit eine Woche länger Osterferien als die staatlichen Schulen, werden aber auch erst eine Woche später schließen.
Jeder Term wird mit einem Examen pro Fach abgeschlossen. Diese Examen werden innerhalb von einer oder höchstens zwei Wochen geschrieben und somit meistens zwei pro Tag. Jede Klausur besteht (zumindest auf der JHS) aus zwei Teilen. Die Section A ist ein reiner Multiple Choice Test, für den man eine Stunde Zeit hat. In der Section B kann man dann meistens 4 aus 6 komplexen Aufgaben auswählen und innerhalb von eineinahalb Stunden bearbeiten. Die Punkte werden so vergeben, dass es am Ende insgesamt 100 gibt. Die Note wird anschließend in Prozent ausgedrückt.
Die Note, die am Ende jedes Terms auf den Report kommt, setzt sich dann aus 70% der Examensnote und 30% der drei innerhalb des Terms zu schreibenden Tests zusammen.

Die JHS wird mit dem sog. B.E.C.E. (Basic Education Certificate Examination) abgeschlossen. Die Prüfungsfächer sind: Mathematics, English, Social Studies, Integrated Science, Basic Design and Technology (man kann zwischen Pre-technical Skills, Home Economics und Visual Arts wählen), local Ghanaian Language, ICT, RME und French. Local Ghanaian Language und French sind dabei als Wahlpflichtfächer zu betrachten. Das Examen wird in beiden Fächern geschrieben, aber man kann anschließend auswählen, ob beide auf dem Zertifikat ausgewiesen werden oder nur eins davon. Mit dem Zertifkat bewirbt man sich dann an einer SHS oder wenn man sich das nicht leisten kann für eine Ausbildung bzw. einen Job.

In der SHS verbringen die Schüler weitere drei Jahre. 2008 wurde im Rahmen einer Bildungsreform die SHS-Zeit auf vier Jahre verlängert. Diese Bestimmung wurde jedoch bald wieder aufgehoben.
Bei den in der Abbildung angeführten Elective Courses handelt es sich um profilbildende Fächergruppen. Diese sind: General Arts 1 (Economics, Calculus 1, Calculus 2, French, Geography), General Arts 2 (Trigonometry, Literatur, Pre-Calculus, History, French), Business (Business Management, Calculus 1, Calculus 2, Accounting), Science (Calculus 1, Calculus 2, Chemistry, Biology, Physics) and Agriculture (Calculus 1, Calculus 2, Chemistry, Physics, Agricultural Science). Der Abschluss an einer SHS wird durch das W.A.S.S.C.E. (West African Senior School Certificate Examination) besiegelt. Die Prüfungsfächer sind die Fächer der Elective Courses. Die restlichen Fächer müssen nur eine bestimmte Zeit belegt werden.
Mit dem Zertifikat kann man sich am College/an der Uni oder für eine Ausbildung bzw. einen Job bewerben.

Schlagen ist in ghanaischen Schulen gesetzlich verboten.

in der Praxis:
 
Von der allgemeinen Schulpflicht wollen manche Eltern immer noch nichts wissen. Besonders betroffen sind dabei arme Familien und Kinder "with special needs". Die ersten müssen arbeiten, um zum Familienunterhalt beitragen zu können. Die zweiten werden oft als Makel versteckt oder einfach nicht ernst genommen. 
Trotzdem ist die Bildungsversorgung durch den Staat in Ghana unzureichend, besonders in der Basisausbildung. Viele Einzelne haben die Marktlücke längst endeckt und private Schulen aufgebaut. Aus diesem Grund gibt es in unserer Community z. B. zwar nur eine staatliche Schule, dafür kenne ich aber fünf weitere kleine Privatschulen.

Allgemein gelten die privaten Schulen der Grundausbildung als bessere Schulen. Dies äußert sich v.a. in den Egebnissen des B.E.C.E. und in der Tatsache, dass Schüler_innen an Privatschulen besser oder überhaupt Englisch sprechen können. 
Diese Unterschiede haben mehrere Ursachen. Zum einen ist die Unterrichtssprache in den Privatschulen meist von Anfang an Englisch, während in den staatlichen Schulen erst in der Primary 3 damit begonnen wird. Zum anderen bekommen die Kinder, deren Eltern für die Bildung aus der eigenen Tasche zahlen, logischerweise mehr Unterstützung. Sie werden sozusagen mit dem Grundsatz erzogen, Bildung sei wichtig. 
Auch wenn die Lehrer in den privaten Schulen meistens sehr jung sind und keine pädagogische Ausbildung haben (Nebenjob zum Studium/College), geht die Geschäftsidee prächtig auf. Das Prinzip ist ganz einfach: Alle geben sich Mühe. Die Eltern geben ihr Geld aus und wollen dafür Resultate sehen. Der Inhaber möchte möglichst viele Schüler haben, um möglichst viel Geld zu verdienen und will deshalb die Eltern zufriedenstellen. Die Lehrer sind Angestellte des Schulinhabers und möchten dementsprechend ihn zufriedenstellen, um mehr Geld zu verdienen und ja nicht rausgeschmissen zu werden. Die Kinder kriegen ihre Ausbildung bezahlt und wollen deshalb ihre Eltern nicht enttäuschen.
In den öffentlichen Schulen sieht die Situation hingegen ganz anders aus. Die Lehrer sind zwar ausschließlich für ihren Beruf qualifiziert, verdienen damit jedoch nur sehr wenig Geld und sind dementsprechend äußerst demotiviert. Hinzu kommt, dass die staatlichen Schulen meistens maßlos überfüllt sind. Es gibt kein Geld für neue Gebäude und so müssen bis zu teilweise 80 Schüler in einem Klassenraum untergebracht werden. Dagegen investiert ein konsequenter Privatschulinhaber selbstverständlich in sein Unternehmen, um es zu erweitern. Dies betrifft nicht nur die Schulgebäude, sondern auch die Ausstattung (v.a. der Computerräume) und die Versorgung mit (Schul-)Büchern. Auch der Schulbesuch ist in privaten Schulen regelmäßiger, schließlich bezahlen die Eltern nicht, damit das Kind zu Hause sitzt. Die Kinder müssen nicht arbeiten und kriegen Geld, um sich genug zu Essen kaufen zu können. Ist ja auch klar, dass es sich mit leerem Magen nicht wirklich einfach lernen lässt und kaum Zeit für die Hausaufgaben bleibt, wenn man auf der Straße Wasser verkaufen muss.
Selbst wenn die finanzielle Situation einer Familie besser wird, ist es für die Kinder oft sehr schwierig an eine private Schule zu wechseln. Obwohl die Schulen den gleichen Vorgaben folgen, ist es doch deutlich, dass das Niveau ein anderes ist. Neuzugänge müssen in den meisten Privatschulen Tests in den Hauptfächern bestehen, bevor sie aufgenommen werden. Bei diesen Tests handelt es sich meistens um Versetzungsexamen. Am Ende jedes Schuljahres müssen die Schüler eines Jahrgangs in allen Fächern ein für sie bestimmtes Examen ablegen. Wenn diese Examen bestanden werden, dann wird der/die Schüler_in versetzt, falls nicht, bleibt er/sie so lange in der gleichen Stufe, bis die Prüfung bestanden ist oder die Schulausbildung abgebrochen wird. Wenn man also in eine private Schule wechseln und dort z.B. in der JHS 2 aufgenommen werden möchte, muss man die Prüfung bestehen, die die JHS 1 dieser Schule am Ende des Schuljahres schreibt. In dem Fall, dass es nicht gelingt, bekommt man die Möglichkeit, in der Stufe direkt darunter anzufangen, in diesem Beispiel also JHS 1. Bei diesem Versetzungssystem kommt es auch schon mal vor, dass 20-Jährige ihr B.E.C.E. zusammen mit 14-Jährigen schreiben und Kinder im Alter von 10 Jahren immer noch im Kindergarten sind. Auch davon sind v.a. die öffentlichen Schulen betroffen.

Und dann gibt es da noch ein gewisses Phänomen: Eltern schicken ihre Kinder oft aus den unterschiedlichsten Gründen in andere Familien. Viele wohnen bei ihren Verwandten, Tanten, Onkels, älteren Geschwistern. Ihre Schulgebühren werden dann im Idealfall von den biologischen Eltern überwiesen. Diejenigen aus ärmeren, kinderreichen Familien werden größtenteils von völlig fremden Menschen "adoptiert", weil ihre eigenen Erzeuger sie nicht versorgen können. Die Vermittlung erfolgt über Beziehungen und Pastoren. Die Kinder müssen dabei viele Haushaltsaufgaben übernehmen, werden dafür in die öffentliche Schule geschickt, bekommen Essen und ein Dach über dem Kopf.
Ob bei Verwandten oder adoptiert, viele wohnen nicht bei ihren leiblichen Eltern und werden auch so behandelt. Sie müssen dann viel im Haushalt helfen und werden in der Bildung sowohl finanziell als auch moralisch kaum unterstützt. Das wird dann an den Schulergebnissen deutlich. Von einer Mitfreiwilligen habe ich von einer neuen Erhebung an ihrer Schule, einer öffentlichen JHS unserer Stadt, gehört. Laut dieser wohnen über 80% des Abschlussjahrgangs bei sog. Adoptiveltern. Darunter fallen die schlechtesten Schüler_innen des Jahrgangs. Die restlichen knapp 20% bestehen ihr B.E.C.E. beinahe ausnahmslos.

Auf Grund solcher mangelhafter Verhältnisse können die Absolventen staatlicher JHS oft nicht an Examen in ICT und French Teil nehmen oder fallen insgesamt reihenweise durch. Wenn sie denn überhaupt am B.E.C.E. Teil nehmen können, denn obwohl die Grundbildung unentgeltlich zu heißen pflegt, muss man für das Examen, das sie abschließt, eine für ghanaische Verhältnisse nicht gerade niedrige Gebühr bezahlen. Die, die bestehen, kommen jedoch auch nicht automatisch an eine SHS, denn hier werden ganz unabhängig davon, ob die Schule privat oder staatlich ist, Schulgebühren verlangt.

Wenn es um die Senior High geht, wendet sich das Blatt. Es wird behauptet, dass die staatlichen SHS mit Abstand besser sind als die privaten. Allerdings kann ich dazu ehrlich gesagt nicht besonders viel Auskunft geben. Ich kann mir auch nur vorstellen, welche Ursachen das haben kann. Vielleicht kommen die unausgebildeten Lehrkräfte der privaten Schulen mit ihren Kenntnissen nicht mehr an gegen die Fachkompetenzen der Pädagogen an den staatlichen Einrichtungen. Vielleicht sieht es hier mit den Löhnen auch etwas besser aus, denn schließlich nehmen auch die öffentlichen SHS Geld ein. Aber das sind alles nur Spekulationen.

Das Studium ist so teuer, dass die meisten es sich erst nach einigen Jahren Job leisten können. Dabei müssen auch noch diverse Professoren bestochen werden. Männer kommen mit teuren Geschenken durch und die jungen Frauen versuchen mit ihren weiblichen Reizen zu überzeugen. Das ist zumindest das einzige, was mir über das Studieren in Ghana bereits mehrere Male berichtet wurde. Ich kenne, um ehrlich zu sein, nicht besonders viele Studenten.

Gecanet wird sowohl an den privaten als auch an den staatlichen Schulen (zumindest bis einschließlich JHS) doch. Gegen die allgemein verbreitete Meinung, afrikanische Kinder könnten ohne die Bestrafung mit dem Schlagstock nicht erzogen werden, kommt die Top-down Initiative der Regierung wohl nicht an. Darüber scheinen sich eine überwältigende Mehrheit der Erwachsenen, unabhängig davon, ob Lehrer oder Eltern, und auch die Kinder selbst einig zu sein. Um eine gesetzliche Bestrafung der Schlagenden zu vermeiden, sollen die Lehrer beim Canen darauf achten, dass sie den Schülern keine sichtbaren Körperverletzungen zufügen.




1 Kommentar:

  1. Hallo liebe Anna,

    ich war selbst jetzt ein paar Wochen in Ghana und schreibe nun meine Bachelorarbeit über die Kindheit in Ghana... Deshalb wollte ich dich fragen, ob du mir die Quellenangabe für die Tabelle geben könntest und ob du Lust auf ein bisschen Austausch hättest?

    Würde mich sehr freuen :-)

    Gruß, Joanna

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