Donnerstag, 15. Dezember 2011

Der Anfang allen "Übels"

Obwohl ich schon seit über drei Monaten in Ghana bin, kann ich mich noch sehr gut an die Ankunft erinnern. Durch die dreistündige Verspätung in London kamen wir erst gegen Mitternacht in Accra an. Ich denke, den meisten Freiwilligen ging es zu dem Zeitpunkt so wie mir. Sobald das Flugzeug gelandet hatte, dachte wohl kaum jemand noch an die vergangen Strapazen der Reise und war nur noch darauf gespannt, was ihn/sie außerhalb der Maschine erwartete. Und das war zu aller erst die stickig-feuchte Nachtluft der Hauptstadt. Prompt fühlte man sich an den nach Luft schnappenden Fisch erinnert und hatte das Gefühl, einfach zu wenig einzuatmen. Nach den Paar Tagen beim Orientierungsseminar verschwand dieses Gefühl wieder. Wir hatten uns wohl an die Luftfeuchtigkeit gewöhnt.
Das Flughafengebäude erinnerte mich an mache, die ich bereits in Kasachstan und Russland gesehen hatte. Ehrlichgesagt verglich ich am Anfang ziemlich vieles mit Kasachstan. Diese „Herangehensweise“ habe ich aber sehr bald wieder abgelegt…
Ich weiß noch, wie der erste, der mit einer von uns befreundet sein wollte, ein Sicherheitsmann des Flughafens war. Damals kam uns der Satz „I’ll take you as a friend“ von einem völlig fremden Menschen noch echt eigenartig vor.
In Empfang genommen wurden wir von einer ARA-Mentoren-Gruppe, die gleich eine nette Vorstellungsrunde starteten und anschließend sich selbst und uns (13) samt unseres Gepäcks in ein Trotro und ein Taxi verhalfen. So ging es durch die nächtliche Hauptstadt zum ARA-Haus, das sich in unmittelbarer Nähe zum Strand befand. Man konnte schon das Rauschen der Wellen vernehmen, aber es war zu dunkel und so sahen wir den Ozean erst am nächsten Morgen.
unsere "Residenz" - das ARA-Haus

An diesem nächsten Tag ging es für eine kleine Führung nach Accra. Zunächst lernten wir jedoch die sog „Ghanaische Pünktlichkeit“ kennen, die v.a. von den Ghanaer_innen selbst wohl am meisten propagiert wird. Was dahinter steckt, ist die Behauptung, dass Ghanaer_innen generell unpünktlich sind bzw. keinen Wert auf Pünktlichkeit legen, was so natürlich überhaupt nicht stimmt. Nichtsdestotrotz wurde uns genau das erklärt, als wir eine Stunde später geweckt wurden als eigentlich angekündigt und dann noch einmal als wir mit zwei Stunden Verspätung losgekommen sind. „Ihr seid hier in Ghana. Daran müsst ihr euch jetzt gewöhnen!“, wurde uns gesagt.
Die Fahrt war erstaunlich lang für die eigentlich eher kurze Entfernung. Das lag zum Teil an den Straßenverhältnissen, denn einige der Straßen waren von Schlaglöchern übersäht. Andererseits sind wir nur noch langsamer vorangekommen, als wir endlich bei der befestigten, mehrspurigen Hauptstraße angekommen waren. „The Traffic“ ist wohl der Hauptgrund für die Ghanaische Pünktlichkeit… naja, zumindest in Accra.
Während wir im Stau gefangen waren, nutzten Straßenverkäufer die Chance, ihre Waren anzubieten. Mit Tragevorrichtungen auf dem Kopf bewegten sie sich geübt zwischen den ziemlich eng aneinander stehenden bzw. fahrenden Autos und feilschten durch offene Seitenfenster mit den Insassen.  Es gab so gut wie alles von Ghanaischem Fastfood und Süßigkeiten über Schweißtücher und Rasierklingen bis zu etwas „exotischeren“ Waren wie Tummy Trimmer und Karten von Ghana. Nicht zu vergessen die Sachets: je 500ml Wasser eingeschweißt in kleine, quadratische Plastiktüten. Man muss eine Ecke anbeißen, um den erfrischenden Inhalt (mehr oder weniger) gefahrlos genießen zu können. (Inzwischen weiß ich, dass auch Shots à 25ml in solchen kleinen, zugeschweißten Sachets verkauft werden.)
An den Rest des Tages kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Es war auf jeden Fall sehr heiß und stressig. Zuerst waren wir auf dem Arts Market (Touri-Markt), blieben jedoch nicht besonders lange, denn als weiße Frischlinge, wurden wir sofort in alle Richtungen gezerrt und es wurde versucht, uns Waren anzudrehen, nach denen wir überhaupt nicht gefragt hatten. Außerdem hatten wir noch gar kein Ghanaisches Geld und so ging es zunächst zum Wechseln.  Dann sind wir ein Stück durch die Stadt gelaufen und anschließend haben wir in einem Lokal zum ersten Mal Ghanaische Speisen gegessen, die sehr lecker, aber ungewohnt scharf waren. Auf den Straßen riefen uns Menschen zu sich, wollten uns kennenlernen, unsere Freunde sein. Die weiblichen Freiwilligen wurden oft von jungen Männern angequatscht, die verkündeten, sie wollten sie heiraten. Auch ich wurde zu Teil am Arm festgehalten, um nach meiner Nummer zu fragen. Ich weiß noch, dass es mir damals nichts ausgemacht hat und ich mich auf nette Art und Weise versuchte zu befreien. Mittlerweile finde ich diese „Festhaltemethode“ der Jungs hier echt nervig, aber sie wenden sie wohl auch genauso bei den Ghanaerinnen an.
Während des Ausflugs kam ich mir mit der Freiwilligengruppe wie ein stinknormaler Tourist vor. Zudem fühlte ich mich unglaublich hilflos. Wie sollte ich mich auf den Straßen, zwischen all den Shops, vorbeilaufenden Menschen und v.a. im Trotro-Taxi-System zurechtfinden? Vielen Freiwilligen ging es genauso wie mir. Wir dachten, wie würden nie allein zurechtkommen können. Inzwischen ist es ganz anders.

Die restlichen Tage im ARA-Haus verliefen eher chillig. Wir hatten zwar ein Programm, doch daran wurde sich nicht wirklich gehalten, was von den Freiwilligen einstimmig begrüßt wurde. Morgens ging es immer zum Strand für ein Paar kleine Übungen und natürlich zum Schwimmen. Dabei hatten wir immer einige Zuschauer, wie z.B. die Fischer, die beim Netzausrollen zum Teil innehielten, um den verrückten Weißen dabei zuzusehen, wie sie ins Wasser rennen. Das lag wohl daran, dass die wenigsten Ghanaer_innen schwimmen können und sich somit auch nicht unbedingt weit reintrauen. Zudem waren wir wohl zu unbekleidet mit unseren Bikinis und Badehosen.
Ansonsten wurde natürlich auch gearbeitet auf der wunderschönen Dachterrasse des ARA-Hauses. Wir behandelten Themen wie den richtigen Umgang mit Ghanaern, unserer Familie, Religion, Unterrichtsvorbereitung etc., besprachen Offizielles wie die Visabestimmungen (, die echt nerven http://www.ghanaemberlin.de/vinfo.html  und das ist nicht mal alles!) und hatten eine kurze Einführung in die regionale Sprache „Twi“. Die Stimmung war sehr ausgelassen und am letzten Abend feierten wir noch den Geburtstag einer von uns, mit Softdrikns, ghanaischen und deutschen Geburtstagstraditionen, Trommeln, neuester ghanaischer und zum Teil auch deutscher Musik, wilden Limbotänzen und ghanaischen und deutschen Partyspielen – Kulturaustausch pur!
Während des Orientierungsseminars befand ich mich in einem komischen Gemütszustand. Ich war nicht total euphorisch wie manche anderen, aber auch nicht enttäuscht. Ich ließ einfach alles auf mich zukommen und nahm es so hin, als wäre es das einzig richtige. Deshalb habe ich mir auch überhaupt keine Gedanken bzw. Sorgen darum gemacht, wie es in der Einsatzstelle oder in meiner Gasfamilie sein würde. Selbst als uns die einzelnen Namen der Familienoberhäupter verkündet wurden und jede_r über seine/ihre Familie Fragen stellen konnte, falls es ihn/sie interessierte, ließ ich das lieber sein. Schließlich sollte ich sie sowieso schon am nächsten Tag treffen.

2 Kommentare:

  1. Good morning how are you?

    My name is Emilio, I am a Spanish boy and I live in a town near to Madrid. I am a very interested person in knowing things so different as the culture, the way of life of the inhabitants of our planet, the fauna, the flora, and the landscapes of all the countries of the world etc. in summary, I am a person that enjoys traveling, learning and respecting people's diversity from all over the world.

    I would love to travel and meet in person all the aspects above mentioned, but unfortunately as this is very expensive and my purchasing power is quite small, so I devised a way to travel with the imagination in every corner of our planet. A few years ago I started a collection of letters addressed to me in which my goal was to get at least 1 letter from each country in the world. This modest goal is feasible to reach in the most part of countries, but unfortunately it’s impossible to achieve in other various territories for several reasons, either because they are countries at war, either because they are countries with extreme poverty or because for whatever reason the postal system is not functioning properly.

    For all this I would ask you one small favour:
    Would you be so kind as to send me a letter by traditional mail from Ghana? I understand perfectly that you think that your blog is not the appropriate place to ask this, and even, is very probably that you ignore my letter, but I would call your attention to the difficulty involved in getting a letter from that country, and also I don’t know anyone neither where to write in Ghana in order to increase my collection. a letter for me is like a little souvenir, like if I have had visited that territory with my imagination and at same time, the arrival of the letters from a country is a sign of peace and normality and a original way to promote a country in the world. My postal address is the following one:

    Emilio Fernandez Esteban
    Calle Valencia, 39
    28903 Getafe (Madrid)
    Spain

    If you wish, you can visit my blog www.cartasenmibuzon.blogspot.com, where you can see the pictures of all the letters that I have received from whole World.

    Finally I would like to thank the attention given to this letter, and whether you can help me or not, I send my best wishes for peace, health and happiness for you, your family and all your dear beings.

    Yours Sincerely

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  2. Hallo Anna!
    Vielen Dank für die Mühe, die Du Dir für alle anderen machst. Du hast einen klasse Schreibstil drauf, man kann es wie einen Roman lesen und sich prima in Deine Perspektive versetzen. Ich habe beim Lesen gleich gemerkt, wie in mir dieses Gefühl von Spannung aufkam, das man in gänzlich fremden Ländern spürt. Ich kenne viele langweilige Bolgs, Deiner hingegen gefällt mir wirklich gut!
    Schöne Weihnachten und viele Grüße!

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