Dienstag, 15. Mai 2012

Abends
Je nachdem, ob Markttag ist oder nicht, kehrt meine Gastmutter so zwischen 17.00 und 18.30 Uhr heim. Panyin ist stets bemüht, das Abendsessen rechtzeitig zu ihrem Erscheinen vorzubereiten. Gegessen wird draußen. Um diese Zeit ist es bereits dunkel und irgendwelche Insekten versammeln sich um die Lampe am Eingang, verbrennen sich dir Flügel und fallen runter. Es kommt ein Frosch, um sie aufzusammeln, nach dem Maame-Jennifer mit ihren Schuhe wirft. Schließlich könnte er giftig sein.
Auf der Terrasse sitze ich als einzige am großen Tisch, die Mutter hinter mir auf einem Sessel mit einem niedrigen Tischchen vor sich, Panyin und Kobi direkt vor der Terrasse auf dem Boden mit den Schüsseln in den Händen, OldLady hinten im Hof auf einem kleinem Hocker. Der Hund stitzt zu meinen Füßen und wartet mit einem bettelnden Blick auf Knochen, Gräten und was noch so dabei rumkommt. Die Mutter versucht erfolglos, ihn davon zu scheuchen.

eine "kleine" Portion
Auf diesen Moment habe ich den ganzen Tag hingearbeitet bzw. -gehungert. Mir wird ungefähr das Dreifache von dem vorgesetzt, was ich normalerweise selbst auftun würde. Seit Panyin da ist, hat es sich schon etwas gebessert, aber auch er muss tun, was die Chefin im Haus verlangt. Und sie will ganz offensichtlich, dass ich zunehme, sonst könnte ja jemand auf die Idee kommen, ich würde schlecht versorgt werden. Außerdem enspricht eine füllige Frau hier (zumindest traditionell) eher dem Schönheitsideal.
Ich hätte zuvor nie gedacht, dass das Thema zu so einem Psychoterror werden könnte. Versuchen aufzuessen habe ich schon ganz am Anfang aufgegeben. Erstens bedeutet das, dass beim nächsten Mal nur noch mehr aufgetan wird, zweitens ist so eine Magenerweiterung, meiner Meinung nach, echt ungesund. Über die zahllosen Diskussionen danach will ich gar nicht nachdenken. Die verlaufen alle eigentlich nach dem gleichen Muster:
Gastmutter (mit immer wieder neuem Erstaunen auf dem Gesicht): "Oh, du hast ja nichts gegessen!"
Ich (mit einem Lächeln): "Doch, doch! Es war einfach nur zu viel. Ich bin jetzt satt, danke."
Gastmutter (besorgt): "Magst du das Essen etwa nicht?"
Ich (verzweifelt): "Nein, nein! Es war echt lecker, danke. Ich bin einfach nur voll."
Gastmutter (mit einem Lachen): "Ach, ich sehe doch, dass du das Essen nicht magst."
Ich (mittlerweile genervt, versuche es aber zu verbergen): "Doch ich mag es. Es ist wirklich sehr lecker, aber in meinen Magen passt einfach nichts mehr. Ich bin an so große Portionen wohl nicht gewöhnt."
Gastmutter (immer noch mit einem Lächeln): "Wenn du das Essen nicht magst, dann kannst du es mir ruhig sagen, dann kochen wir etwas anderes für dich."
Ich (weiß mittlerweile, dass es wieder nichts bringt, muss aber etwas antworten): "Nein, nein! Ich mag es ja, die Portion ist bloß echt zu groß. Wenn ich etwas nicht mag, dann sage ich es dir, ich verspreche es."
Gastmutter (entschieden): "Panyin, brate für Anna ein paar Plantains!"
Ich (noch entsetzter als zuvor): "Nein, nein, nein! Um Gottes willen! Ich kann doch nicht noch mehr essen."
Gastmutter (auch nach dem hundertsten Mal immer noch erstaunt): "Aber so kannst du doch nicht schlafen!"
Ich (versuche es ein letztes Mal): "Ich werde noch schlechter schlafen, wenn ich jetzt noch was esse, denn dann wird mir schlecht. Danke, aber ich bin wirklich mehr als satt. Mach dir keine Sorgen."
Gastmutter (unbeirrbar versucht sie, mir ein Schlechtes Gewissen einzureden): "Ich mag es nicht, wenn ihr das Essen stehen lasst. Dann fühle ich mich nicht wohl."
Ich (nur noch in Gedanken): "Und ich mag es nicht, zwangsernährt zu werden. Als Wolfühlen kann man das auch nicht gerade bezeichnen."
Man könnte meinen, dass es ihr selbst auf Dauer zu anstrengend sein müsste, jeden Abend solche Diskussionen zu führen. Doch selbst nach acht Monaten lässt meine Gastmutter ab und zu die alten Sprüche hören.
Dabei ist unser Essen echt lecker und ich verputze sowieso schon viel zu viel davon. Es schwimmt auch im Gegensatz zu dem, was meistens auf der Straße verkauft wird, nicht im rotbraunen Palmöl. Darauf achtet meine Mutter sehr penibel, denn sie ist sehr bemüht, dass es ihren Freiwilligen gut geht. Dafür bin ich ihr sehr dankbar, aber manchmal ist sie eben zu bemüht und behandelt mich bevormundend, wie ein Kind.

Wenn es noch nicht zu spät ist und keine von uns etwas zu tun hat, dann unterhalten wir uns noch etwas, während die Jungens Geschirr abspülen. Die Mutter erzählt mir vom Klatsch und Tratsch vom Markt und informiert mich über die Geschehnisse beim anderen Teil der Familie in Kumasi. Ich berichte ihr von der Schule und den anderen Freiwilligen. Manchmal entstehen auch echt interessante Gespräche, bei denen es meistens um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Ghana in bestimmten Themenbereichen geht. So lässt sich auch mal der ein oder andere Irrglaube ausräumen, wie z.B. der: In Deutschland wird Fufu gegessen, dass aus Pulver zubereitet wird. Wenn jemand in Deutschland Fufu zubereitet, dann macht er/sie es bestimmt mit Pulver, denn der herkömmliche Weg wäre eindeutig zu kompliziert. Der springende Punkt ist jedoch, dass der Großteil der deutschen Bevölkerung noch nie etwas von Fufu gehört hat. Das scheint für viele Ghanaer_innen unvorstellbar.

Früher sind Sarah und ich oft noch in eine kleine Bar auf der gegenüberliegenden Straßenseite gegangen, manchmal um andere Frewillige zu treffen, später auch mit Panyin. Leider wurde die Bar geschlossen und Sarah ist auch mittlerweile zurück in Deutschland. Nach dem Abendessen, das meistens insgesamt fast zwei Stunden einnimmt, gehe ich also in mein Zimmer. Dort beantworte ich Emails, höre Musik und packe schon mal meine Tasche für den nächsten Tag. Wenn ich noch genug Zeit habe, dann schreibe ich etwas an einem Post. Wie man sieht, hab ich sie meistens nicht, denn ich muss versuchen zwischen 21.00 und 22.00 Uhr ins Bett zu kommen. Wenn mir das nicht gelingt, dann bin ich am nächsten Tag zu zerschlagen, um bei durchschnittlich 31°C acht Stunden in der Schule zu verbringen.Und bevor ich ins Bett gehe, mache ich noch gerne etwas Sport, für meinen kaputten Rücken und für mein Schlechtes Gewissen wegen der überschüssigen paar Kilos. Danach nehme ich noch fix eine Dusche, putze mir die Zähne und krabbele zurück unter mein Moskitonetz, dessen Eingang ich mit einer alten Haarklammer verschließe. Nicht, dass irgendwelche übergroßen Kakerlaken reinkrabbeln!
Auf meinem kleinen, blauen Nokia muss ich jeden Abend die Aufweckzeit einstellen. Von draußen hört man einen ganzen Chor von Hundegeheul und auf der Decke direkt über meinem Kopf sitzt ein kleiner, farbloser Gecko. Schonwieder ist ein Tag vergangen!

Donnerstag, 10. Mai 2012

Meine Nachmittage
Während ich durch das Tor eintrete, rennt der Hund mir bereits entgegen. Entweder er hat mich noch nicht erkannt und bellt wie verrückt oder er möchte mich nur begrüßen. Der mag mich ganz gerne, weil ich heimlich meine ganzen Essensreste an ihn verfüttere und das ist echt nicht wenig.
unser Kühlschrank 
Wenn Old Lady im Hof sitzt, dann begrüße ich sie. Ihre Antwort ist stets „Welcome!“. Ich bedanke mich und eile in den schattigen und tatsächlich kühlen Korridor. Im Zimmer begrüßt mich wieder stickige Luft, doch zum Lüften ist keine Zeit, denn ich kann’s kaum mehr erwarten, unter die Dusche zu schlüpfen und dafür muss ich die Zimmertür natürlich wieder verschließen.
Frisch gewaschen und in einen Stoff eingewickelt bringe ich noch schnell die Badeutensilien zurück und inspiziere daraufhin den Kühlschrank. Außer den Wassersachets befindet sich dort nicht viel, aber wenn ich Glück habe, hat meine Gastmutter die Früchtedose auffüllen lassen und das Brot, das ich beim Frühstück übergelassen habe, wurde noch nicht von Kobi aufgegessen. Nach ein paar Bananen und einigen Stückchen Ananas ist mein Nachmittagssnack beendet, schließlich folgt das Abendessen in höchstens drei Stunden und ist unausweichlich.


Ab nun gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Möglichkeit 1: Ich bin mit meiner Mitfreiwilligen Luzie verabredet. Zusammen gehen wir oft kleine Besorgungen erledigen, eine_n Schneider_in aufsuchen oder an einem der Markttage (Montag und Donnerstag) shoppen. Unser Treffpunkt ist stets ein torbogenähnliches Gebilde direkt gegenüber zum Markt. Da ich in direkter Nähe zum Markt wohne, brauche ich nur einige Minuten, um über ein paar kleine Gassen dieses zu erreichen.
Da Luzie und ich uns mindestens einmal pro Woche an dieser Stelle treffen, kennen uns hier die meisten Ladenbesitzer_innen. Sister Efua hockt stets unter einem der Vordächer auf einem Stuhl und flicht die Haare einer Kundin, die direkt vor ihr auf einem kleinen Hocker sitzt. Sie ist super freundlich und bietet der jeweils Wartenden immer einen Sitzplatz an. Direkt neben ihr macht eine junge Frau ihren Kundinnen die Nägel, während weitere bereits auf einer Bank warten. Ein paar Meter weiter befindet sich der Shop einer richtig guten Schneiderin. Leider verlangt diese von uns (Weißen) immer den doppelten Preis. Alle werden natürlich freundlich gegrüßt und nach ihrem und dem Befinden ihrer Kinder (, falls diese vorhanden sind,) gefragt.

Von hier aus müssen wir nur noch die Straße überqueren, um auf den Markt zu gelangen. Sie ist immer voll von Taxis, die sich aneinander vorbei quetschen und hintereinander her kriechen. Es herrscht lautes Gebrumme und Gehupe, mit dem die Taxifahrer versuchen andere Fahrer und potenzielle Kunden, auf sich aufmerksam zu machen. Sie strecken ihre Arme oder Köpfe aus den Fenstern und versuchen gestikulierend herauszufinden, ob und wohin die Passanten gefahren werden wollen.
die Straße neben dem Markt
Auf dem engen Streifen zwischen den vorbeifahrenden Taxis und dem Gutter suchen sich die Fußgänger ihren Weg, Käufer und Verkäufer wickeln ihre Geschäfte ab. Die zum Teil sehr jungen Straßenhändler bieten Getränke, Eis, Meatpies, Schmuck, Kleidung, Reinigungsmittel, einfach alles Erdenkliche an und transportieren ihre Ware auf Tablettes oder eigens dafür bestimmten Vorrichtungen auf dem Kopf. Laut preisen sie die Angebote an: „One one Cedi! One one Cedi!“. Frauen mit den typischen schwarzen Einkaufstüten beladen, bahnen sich einen Weg zum Taxi. Ihre kleinen Kinder eilen ihnen hinterher, versäumen es aber trotzdem nicht, uns „Obroni“ hinterher zu schreien.

Die Straße ist von unzähligen vollgestopften, garagenartigen Shops gesäumt. Zum Markt gibt es von dieser Seite aus genau vier Zugänge. Einer ist bei den Fisch- und Gemüseverkäuferinnen, zwei bei der Schuh- und Klamottenabteilung. Alle drei sind kaum passierbar, ohne angequatscht und festgehalten zu werden. Alle wollen uns ihre Ware andrehen und schauen beleidigt, wenn wir nichts haben wollen. Sehe ich so aus, als wäre ich an riesigen, noch lebenden Suppenschnecken interessiert?
Meistens wählen wir den Gang, der die beiden Abteilungen teilt und geradewegs zu den Stoffläden am anderen Ende des Marktes führt. In der Luft verbinden sich die Gerüche von neuen Stoffen, Seife, Gewürzen, Früchten, Fisch und Fleisch. Die Shops sind so nah aneinander, dass der ganze Markt im Prinzip überdacht ist. Die Zwischengänge sind super eng und werden größtenteils von Ladensbesitzern/-bestizerinnen zum Wareauslegen beansprucht. Nichtsdestotrotz gibt es auch hier die Straßenhändler mit ihren Tragevorrichtungen auf den Köpfen, denen wir dann ausweichen müssen. Einfach so stehen bleiben, ist im Grunde unmöglich, denn man würde für alle Nachfolgenden den Weg versperren. Zum Umherschauen bleibt oft gar keine Zeit, weil man sich darauf konzentrieren muss, nicht jemanden oder etwas umzulaufen. Aber umherschauen sollte man sowieso lieber nicht. Wenn man auch nur eine Sekunde zu lange auf die Ware guckt, merkt das der/die Verkäufer_in sofort und will einem/einer gleich etwas andrehen. Sie verstehen wohl nicht, dass sie uns gerade damit verscheuchen. Man muss sich dann immer irgendwelche Ausreden einfallen lassen, wieso man auch aus diesem Shop gerade nichts benötigt. Windowshopping ist also nicht, man muss ganz genau wissen, was man braucht und das auch zielsicher ansteuern. Dabei sollte man schon den ungefähren Preis kennen und wenn man neu ist, davon ausgehen, dass der doppelte verlangt wird und feilschen.
ein Stück des Marktes

Wenn ich auf dem Markt bin, erfährt meine Gastmutter dies mit großer Wahrscheinlichkeit spätestens nach fünf Minuten. Das heißt, ich muss ihr unbedingt in ihrem Stoffladen in der vorletzten Reihe einen Besuch abstatten. Wenn ich schon einmal da bin, dann muss ich auch gleich alle ihre Kolleginnen in der gleichen Reihe besuchen und jede von ihnen persönlich begrüßen. Dass ich mir total bescheuert dabei vorkomme, die gleiche Begrüßungszeremonie ungefähr 8 Mal hintereinander zu durchlaufen, muss ich also kurz ausblenden. Erstaunlicher Weise ist genau dieser vorletzte Gang wohl der breiteste auf dem ganzen Markt und so sitzen die Marktfrauen auf kleinen Hockern vor ihren Läden. Es besteht also absolut keine Chance für mich, übersehen zu werden. Falls ich jedoch eine von ihnen übersehen sollte, dann wird sie sofort beleidigt.
Alle Stoffläden sind mit Sitzbänken oder Hockern für die Kunden ausgestattet und diese werden uns nach der Begrüßungsrunde angeboten. Eine kurze Verschnaufpause folgt und wir halten etwas Smalltalk mit der Mutter. Anschließend dürfen wir uns die Neuheiten unter ihren Stoffen anschauen. Trotz der eher kleinen Auswahl, werden wir oft fündig. Meine Gastmutter ist eine clevere Geschäftsfrau und hat bei ihrem Umgang mit Weißen bereits erkannt, dass wir uns durch das typische Vorgehen der Marktfrauen eher bedrängt fühlen. Dem hat sie sich angepasst und dies ziemlich erfolgreich. Alle mir bekannten Freiwilligen und ihre Besucher_innen steuern sofort ihren Laden an, wenn sie nach Stoffen suchen.

Oft ist uns das ganze nach acht Stunden Schule zu stressig, sodass wir den Markt eher meiden. Auf den Straßen gibt es genug Shops und Verkaufsstände, wo man alles nötige bekommt und manchmal ist auch ein Supermarkt mit festen Preisen schon etwas echt Schönes.

Luzie und ich treffen uns auch, um gemeinsam den Schneider aufzusuchen. Der, meiner Meinung nach, Beste wohnt am anderen Ende der Stadt. Leider ist der Mann gehörlos, aber die Verständigung klappt dennoch hervorragend. Das einzige Problem ist, dass er sich nicht so gut an seine Termine halten kann. So kann es auch mal vorkommen, dass man wegen eines Auftrags viermal hin muss. Aufgrund der Entfernung verschwendet man so den ganzen Nachmittag, aber anrufen kann man ihn ja auch nicht.
Insgesamt scheinen die Schneider_innen dazu zu neigen, die Wünsche ihrer Kunden/Kundinnen etwas zu missachten. Zumindest habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie am besten sind, wenn man sie einfach machen lässt. Trotzdem finde ich es super, dass man sich so billig Kleidung maßschneidern lassen kann. Wenn die Arbeit zudem so gut ist, dann nehme ich die Strapazen schon gerne in Kauf.

Es gibt Tage, an denen wir zu müde und zu faul sind, um auch nur aus dem Haus zu gehen. Dann sitzen wir in meinem Zimmer und quatschen. Gesprächsstoff gibt es immer, lauter Erfahrungen müssen geteilt und verarbeitet werden.


Möglichkeit 2: Ich bin mit niemandem verabredet und da ich in der Schule genug Zeit verbringe, nehme ich nur äußerst selten Arbeit mit nach Hause. Dafür wartet bereits ein Berg dreckiger Wäsche auf mich und das Zimmer sollte auch mal aufgeräumt werden. Da man auf Grund der Wetterverhältnisse kaum etwas mehr als einmal anziehen kann, passiert dies ungefähr zweimal die Woche.

Wenn ich Pech habe, gibt es gerade kein Wasser und ich muss darum bangen, dass ich bald nichts mehr habe, was ich zur Schule anziehen kann. Falls doch, sortiere ich meine Wäsche erst einmal in Weiß und Nichtweiß. Um die weißen Kleidungsstücke und v.a. die Handtücher (ich frage mich immer noch, wie ich auf die Idee kommen konnte, weiße Tücher mitzunehmen) wieder so hinzukriegen, wie sie vorher waren, benötigt man ein Bleichmittel, das der anderen Kleidung absolut nicht gut tun würde (und den Fingern leider auch nicht). Anschließend schnappe ich mir eine große Schüssel, einen Eimer und einen Hocker und platziere mich damit draußen unter dem großen Mangobaum, direkt neben dem Wasserhahn.
Das Wäschewaschen per Hand kann manchmal echt lange dauern. Dabei unterhalte ich mich immer mit dem Hausgehilfen, der um die gleiche Zeit auf der Terrasse das Abendessen zubereitet. Dafür trocknet die Wäsche in der Sonne umso schneller. Meistens kann ich die Stücke, die ich als erste aufgehängt habe, bereits wieder von der Leine nehmen, wenn ich mit dem Waschen fertig bin.

Als nächstes ist mein Zimmer dran. Die meisten Ghanaer_innen stehen jeden Tag noch vor Sonnenaufgang auf, um ihr Haus zu säubern. Natürlich ist es schön frisch, aber ich mache das trotzdem nicht. Zum einen muss ich wohl zugeben, dass ich einfach zu faul bin. Wie kann man auch um vier Uhr morgens aufstehen, um aufzuräumen?! Zum anderen, sieht man um diese Zeit selbst mit Licht an beim besten Willen nicht, was man da eigentlich fegt. Für mich macht es somit mehr Sinn, zwei-/dreimal die Woche, nachmittags, bei der Hitze die Arbeit zu verrichten.


Möglichkeit 3: Ich bin weder mit jemandem verabredet, noch muss ich waschen. An solchen Tagen helfe ich gerne Panyin, unserem neuen Hausgehilfen, beim Kochen. 

Wakye
Seit ich angefangen habe, diesen Tagesablauf zu schreiben, ist bereits eine Menge Zeit vergangen (es tut mir ehrlich Leid!). Ich glaube, es war Anfang Februar, da hat Esi ihre Pläne, zu ihrer leiblichen Mutter zurückzukehren, verwirklicht und ist gegangen. Das Verhältnis zwischen ihr und meiner Gastmutter war schon seit geraumer Zeit nicht mehr gut gewesen und so glich das ganze sehr einer Flucht. Eine Woche lang musste Kobi kräftig im Haushalt mit anpacken und es sah schon so aus, als würde die Mutter Esi gar nicht mehr ersetzen wollen, da tauchte plötzlich ein junger Mann in unserem Hof auf. Beim Abendessen erklärte meine Gastmutter, er sei Atas Bruder und würde uns nun im Haushalt helfen. Ata ist der Hausgehilfe in Kumasi und wegen seines Namens wusste ich schon lange, dass er einen Zwillingsbruder haben musste. Dieser stand nun vor mir.

Panyin beim Zwiebelschneiden
 Ata Panyin sieht zwar nicht genauso aus wie sein etwas jüngerer Zwillingsbruder, aber dafür ist er genauso stets gut drauf und total open minded. Sein Englisch ist um einiges besser als Esis, was die Kommunikation deutlich einfacher macht. Schon sehr bald ist er für Sarah und mich zu einem echt guten Freund geworden. An freien Nachmittagen kochen wir zusammen, denn im Gegenteil zu Esi lässt er sich helfen. Er ist so versessen darauf, mich mit der ghanaischen Küche vertraut zu machen, dass er mich meistens schon selber ruft, wenn er anfangen möchte. Und weil Panyin ein klasse Geschichtenerzähler ist, macht kochen gleich doppelt Spaß! Alles, was im Haus sonst nur auf Fante besprochen wird, erfahre ich durch ihn.


So, das war’s auch schon. Da meine Nachmittage meistens nur ca. zwei Stunden dauern, unternehme ich werktags äußerst selten etwas anderes.

Mittwoch, 4. April 2012

Nach Hause
Wenn ich es geschafft habe, rechtzeitig zu verduften, dann gestaltet sich mein Nachhauseweg relativ langweilig. Meistens ist es tierisch heiß und ich bin tierisch müde, sodass ich versuche, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Unterwegs klappere ich die gleichen Stationen ab, wie schon auf dem Hinweg. Schaffe ich es jedoch nicht, wird das ganze spannender, aber auch nerviger.
Die Schüler_innen meiner eigenen Schule kennen und respektieren mich als ihre Lehrerin. In der Umgebung gibt es jedoch zwei weitere Privatschulen, die Schüler_innen derer mir gern das Leben schwer und meinen Nachhauseweg zu einer Art Spießrutenlaufen machen. Während ich an so einer Gruppe vorbeigehe, nehme ich automatisch eine angespannte Haltung ein und warte nur noch auf eine Reaktion ihrerseits auf meine Präsenz. Wenn mich keiner davon mit Obroni anschreit oder irgendwie anders anspricht, dann ist es ein Wunder. Meistens und keine Ahnung wieso, tun sie dies mit einer eigenartig hohen Stimme. Da ich ganz genau weiß, dass so ein Verhalten Erwachsenen gegenüber hier niemals gebilligt werden würde und sie es nur tun, weil ich weiß bin, ignoriere ich sie einfach. Das heißt, es fällt mir nicht einfach, aber ich ignoriere sie, denn alles andere würde sie nur belustigen. Doch oft finden sie mein Schweigen genauso witzig.

Ein zwölfjähriger Junge, dessen Namen ich nicht einmal kenne, erinnert mich bei jeder Gelegenheit daran, ich hätte ihm versprochen ihn mitzunehmen, wenn ich gehe. Dabei soll ich ihn mal nach England, mal in die USA mitnehmen, sodass ich ihn ständig erinnern muss: „I’m not going there“.
„Then were? France?“
„No, Germany!“, dem Kleinen ist das auch Wurscht, Hauptsache ich vergesse ihn nicht. Ich kann mich an so ein Versprechen überhaupt nicht erinnern (, was vermutlich daran liegt, dass er bis jetzt jeden weißen Menschen gefragt hat und sich selbst nicht mehr daran erinnern kann, wer ihm was geantwortet hat), versichere ihm aber, dass ich nicht so bald gehen und ihn auf gar keinen Fall vergessen werde. Schließlich will ich in Ruhe meinen Weg fortsetzen.

Manchmal zwingt sich mir jemand als Begleitung auf, was dann meistens echt ätzend wird. Nicht, dass ich die Gesellschaft anderer Menschen nicht schätzen würde, aber leider entwickelt sich nur in den seltensten Fällen ein Gespräch, da die Person sich ja nur aufgedrängt hat, weil ich weiß bin. So gibt es nichts zu sagen und man geht in bedrückender Stille nebeneinander her. Ich fühle mich in solchen Situationen immer unter Druck gesetzt, etwas reden zu müssen. Dabei habe ich ja gar nicht darauf bestanden, begleitet zu werden!

Der Schneiderladen an der Ecke zu unserem Schotterweg ist nun offen. Die Schneiderjungens, Kobi und Frank, sind mittlerweile zu Freunden geworden. Die interessiert es wirklich, wie es mir geht, sie hören sich alle Geschichten von mir gerne an, machen Späße und beruhigen mich, wenn ich mich über etwas aufrege. Ich kann immer zu ihnen kommen, wenn es etwas zu flicken gibt und die Bezahlung dafür wird nicht einmal angenommen. Obroni haben sie mich noch nie genannt und behandeln das Thema mit (meiner Meinung nach) angebrachter Ernsthaftigkeit. Leider sind die Unterschiede in der Mentalität auch hier vorhanden und so bin ich nur noch mehr enttäuscht, wenn es dann zu Differenzen kommt und ich mich völlig missverstanden fühle.

Auf den letzten paar Metern spielen bereits die Nachbarskinder, die gerade von der Schule zurückgekommen sind. Die meisten davon sind Jungens und haben mich früher immerzu nach Bonbons und zum Teil auch Geld gefragt, bis ich es eines Tages meiner Gastmutter erzählte. Seit dem begrüßen sie mich nur noch oder lassen mich komplett in Ruhe.

Donnerstag, 29. März 2012

Der Schulalltag

Schultor und Sister Ama direkt dahinter
Das Schultor ist nur einen kleinen Spalt weit offen und der wird auch noch zur Hälfte von einer Bank versperrt. Darauf sitzt mit ihrem Geldeimerchen auf dem Schoß Sister Ama, meine Namensvetterin, die keine_n Schüler_in passieren lässt, der/die keinen Essensschein kauft. Die Frau gehört zur Familie des Schulinhabers und ist auf dem Schulhof für den Nahrungsvertrieb zuständig. Ihr helfen noch ein paar andere Frauen, doch sie ist sozusagen die Chefin.
Es folgt das übliche Ritual und im Vorbeigehen pikse ich noch ihrer kleinen Tochter (ebenfalls meine Namensvetterin) spielerisch in den Bauch. Die Kleine ist etwa zwei und befindet sich um diese Zeit meistens auf dem Schoß ihrer Mutter, direkt neben dem Münzeneimerchen.

Morning Assembly auf dem Schulhof
Da ich etwa gegen 8.00Uhr eintreffe, findet auf dem Schulhof gerade die tägliche Schülerversammlung statt, die vom JHS-Direktor oder seinem Stellvertreter geleitet wird. Vom Schlagzeug begleitet, singen die Schüler_innen zuerst eine Strophe der Nationalhymne, sagen dann im Chor das „Vater-Unser“ auf, hören sich die Ankündigungen und Moralpredigten des Direktors an und marschieren dann Reihe um Reihe in ihre Klassenräume. Dabei wird so eine Art Motivationslied gesungen.
Manchmal werden solche Assemblies auch mitten am Tag berufen. Dann geht es meistens darum, irgendwen für seine Missetaten zu bestrafen. Oft handelt es sich um die sog. „Fantespeaker“, auf dem Schulgelände soll man nämlich ausschließlich Englisch sprechen. Diese werden dann vor der ganzen Schule vorgeführt und anschließend mit dem Cane (Schlagstock) etwa 5mal wahlweise auf den Hintern oder die Hand geschlagen. Wenn man dabei versucht auszuweichen, sich die Stelle reibt oder das Gesicht verzieht, wird man von den restlichen Schüler_innen ausgelacht.

Als erstes steuere ich das Office an, welches sich direkt neben dem Schultor befindet. Gleich neben der Tür ist ein Tisch, an dem Joana sitzt. Die junge Frau wird oft Madam School Fees genannt, weil sie für das Eintreiben eben dieser zuständig ist. Mittlerweile ist sie zu einer echt guten Freundin geworden, aber auch hier bleibt das tägliche „How are you?“ nicht aus. So ist es nun mal üblich. Der Unterschied ist, dass sie wirklich wissen will, wie es mir geht.
Je nach Wochentag, also Stundenplan, sind auch die beiden anderen Kolleginnen, Pat und Dina, hier und haben bereits die einzigen beiden Stühle (keine Ahnung, wohin unsere Stühle immer verschwinden!) neben dem langen Tisch besetzt. Ich lasse mich also erst einmal auf dem Sofa hinter Joana nieder. Meistens wird gerade gegessen und diejenige lädt mich auch prompt ein. Ich bedanke mich höflich und verzichte.
Lange haben wir Freiwilligen darüber spekuliert, ob das „You are invited“ ernst gemeint oder vielleicht doch nur eine Floskel sei. Im Grunde ist es eine Höflichkeitssache: Wenn man isst, ist es angebracht, allen Anwesenden etwas anzubieten. Das heißt nicht, dass auch alle mitessen werden, aber wenn man die Einladung annimmt, wird auch wirklich bereitwillig geteilt.
Gegessen wird auch um diese Zeit schon warm oder wie die Ghanaer_innen selbst zu sagen pflegen „heavy“ und in Mengen, die mit der Größe meines Magens einfach unvereinbar sind. Im Laufe des Tages werde ich noch einige Male so eingeladen und meistens lehne ich ab, was mir schon des Öfteren Vorwürfe seitens der Einladenden eingebracht hat. So oft und so viel kann ich jedoch einfach nicht essen. Trotzdem finde ich diese Gewohnheit klasse und wende sie auch an, wenn ich gerade mein Brot und meine Bananen mampfe oder mir einige Kekse bei der schuleigenen Süßigkeiten-Verkäuferin geholt habe. Schließlich sage ich bei solchen Kleinigkeiten ja selbst nie nein.

Auch wenn die Stundenanzahl und –Art vom Wochentag abhängen, verläuft jeder Schultag doch irgendwie gleich. Ich halte meinen Unterricht, in dem ich möglichst mindestens eine Exercise machen lassen und am Ende eine Hausaufgabe geben muss – Vorschriften, die mir persönlich nicht besonders einleuchten, an die ich mich aber zu halten habe. Danach kriege ich zwei Stapel Hefte – Exercise und Homework Books. Je nach Klasse variiert die Heftanzahl eines solchen Stapels zwischen 33 und 36. Dementsprechend zieht sich auch die Korrekturzeit etwas hin. Hinzu kommt noch die Zeit, in der ich mich über diejenigen aufrege, die schamlos einfach jedes Wort, jeden Buchstaben, ja jedes Zeichen und selbstverständlich auch jeden Fehler abgeschrieben haben (v.a. in Mathe) und mir überlege, was ich dagegen unternehmen kann. Gegen fehlende Hausaufgaben habe ich auch schon so meine Methoden und dazu gehört Canen eindeutig nicht!
Außerdem will natürlich die nächste Unterrichtsstunde vorbereitet werden. Dafür haben die Lehrer_innen unserer Schule eigentlich spezielle und absolut riesige Bücher. Ich bin jedoch froh, dass keiner daran gedacht hat, mich mit so einem Klotz auszustatten. Meine Unterrichtsnotizen mache ich gerne so, wie es mir am sinnvollsten erscheint. Die beiden bereits angesprochenen Vorschriften sind da auch schon genug.
unsere kleine "Chaoshöhle" - das Office
Wenn es so wie jetzt auf die Examen zugeht, suche ich dafür die Aufgaben heraus oder erstelle selbst welche. Das ist wirklich nicht so einfach, wie man es sich vorstellt!

Außer den drei jungen Lehrerinnen und mir verbringt kaum eine_r eine längere Zeit im Office. Manche sind Klassenlehrer und immerzu in ihren Klassenräumen. Die meisten anderen befinden sich in der unterrichtsfreien Zeit im Computerraum am anderen Ende des Schulgebäudes. Sie schneien nur ab und zu ins Office herein, weil sie etwas suchen oder mit einer von uns reden wollen.
Die gesamte Schule schließt um 15.00 Uhr und jede_r Lehrer_in hat bis zum Schluss da zu sein, ob er/sie Unterricht hat oder nicht. Wenn man früher gehen möchte, muss man den Grund in ein speziell dafür angelegtes Buch eintragen. So gibt es zwischendurch eine Menge Zeit, um sich auch mal mit den Kolleginnen zu unterhalten. Da Joana nicht unterrichtet und so beinahe den ganzen Tag im Office ist, außerdem echt gut zuhören kann und zu den wenigen mir bekannten Ghanaer_innen gehört, die recht offen für Neues sind, entwickeln sich zwischen uns immer die interessantesten Gespräche bzw. Diskussionen. Dies ist wohl mit ein Grund dafür, dass wir uns so gut verstehen.
Bei der Überfülle an Zeit ist es kein Wunder, dass sich die Lehrer_innen oft mit etwas anderen Dingen als der Arbeit beschäftigen. Manchmal entbrennen heiße Diskussionen, die sich meistens um Religion drehen und leider in Fante geführt werden. Es wird auch viel Musik gehört und mitgesungen. Oft holen die jungen Frauen auf den Tisch gelehnt oder im Halbsitzen auf dem Sofa ihren Schlaf nach. Sie wundern sich ständig darüber, dass ich immer beschäftigt bin und versuchen mir einzureden, dass ich mich auch mal ausruhen sollte. Ich kann jedoch nicht einfach nur herumsitzen. Da würde ich vor Langeweile eingehen und mir so vorkommen, als verschwende ich meine Zeit (, von der es hier sowieso nie genug zu geben scheint). Also suche ich mir eben etwas zu Tun.
Zwischendurch werden Schüler_innen von meinen Kolleginen zum Essen-, Süßigkeiten- und Wasserkaufen, Geschirrabspülen, Müllentsorgen, jemanden Holen oder – das ist auch schon vorgekommen - nach dem Handtuch, welches einen Meter entfernt an der Wand hängt, geschickt. Man sieht, als Lehrer hat man hier automatisch den Anspruch auf Respekt, v.a. von Jüngeren, und der wird auch in großen Mengen entgegengebracht.

Gegen Mittag bringen die Klassensprecher_innen ihre Studies Fees, 0.20 Cedis pro Schüler_in und Tag. Fragt mich nicht, warum diese täglich eingesammelt werden. Auf jeden Fall ist es jedes Mal eine Philosophie und ein Zeitaufwand von einer bis zwei Stunden, die Münzen und Geldscheine nachzuzählen, alles zu dokumentieren und in bestimmten Mengen in kleine Plastiktüten abzupacken, die dann zur Bank gebracht werden. Kein Wunder, dass Joana bald nach dem ich an der Schule angefangen hatte, um meine Hilfe gebeten hat. Am Anfang kam ich mir dabei etwas makaber vor. Ich habe mir vorgestellt, nach außen hin müsse es so aussehen: Ich, die Weiße, bin nach Ghana gekommen, um Geld von Schulkindern, den Schwarzen, einzusammeln. Da wird man doch automatisch an die Kolonialzeit erinnert, dachte ich mir. Letztendlich helfe ich jedoch nur Joana, die ja schließlich selbst gefragt hat und habe daraus überhaupt keinen Gewinn, außer eben ihre Freundschaft. Nun ja, inzwischen ist es zu meiner festen Aufgabe geworden und mittlerweile ist Joana diejenige, die nur ab und zu mal dabei hilft.

Um diese Zeit bin ich echt froh, dass wir einen Ventilator in unserem kleinen Office haben, der mir leider nichts bringt, wenn ich gerade unterrichten muss oder es mal wieder „Light Off“ gibt. Dafür genießt man es umso mehr, wenn alles funktioniert.
Draußen auf dem Hof kommandiert die kleine Ama, teilweise nur noch in eine Pampers gekleidet (alles andere hat sie schon längst runtergerissen), alle anderen herum. Währenddessen scheuchen der Driver und Sister Ama die Schüler_innen umher, die keine Lust auf die Schulkost haben und lieber außerhalb etwas zu Essen kaufen würden. Sister Ama will dies selbstverständlich unterbinden, da sie ja Geld verdienen möchte und der „Security Man“, der gleichzeitig Schulbusfahrer ist, hilft ihr dabei. Sein sog. Schutz besteht darin, die Kinder nicht vom Schulgelände zu lassen und dabei wird er manchmal auch richtig aggressiv. Ich persönlich finde den Typen echt unsympathisch. Pat hat schon ganz recht, wenn sie sagt, er sei einfach unzivilisiert.
Andere Schüler stehen Schlange, um ihr Mittagessen entgegenzunehmen, quatschen dabei, singen oder spielen Ampe. Es herrscht ein stetiges Gebrumme, das auch innerhalb der Unterrichtszeit nicht verstummt. Bei einer Schüleranzahl von 30-50 in einer Klasse ist völlige Ruhe völlig unmöglich. Außerdem gestalten manche meiner Kollegen den Unterricht so, dass die Schüler wortwörtlich feiern. So richtig still ist die ganze Schule nur, wenn Examen geschrieben werden und da merkt man auch erst, wie laut es vorher eigentlich war.

Um 14.00 verschwindet Joana, weil sie das eingesammelte Geld zur Bank bringen muss. Ich werde zum Ende hin immer müder und bin froh, wenn die Glocke geläutet wird und eine Jungenstimme verkündet: „Cleaning, please!“. Während die Kinder mit Besen ausgerüstet über den Schulhof eilen, mache ich mich aus dem Staub. Schließlich folgt sowieso nur noch eine weitere Assembly...

Samstag, 11. Februar 2012

und weiter

Zur Schule
Kaum bin ich aus dem quietschenden Tor heraus, breitet sich ein bedrückendes Gefühl in mir aus. Kein Wunder, denn der Schutz der „Vier Wände“ ist weg und als weiße Frau ziehe ich in Swedru alle Blicke auf mich. Tief durchatmen und rein in den Tag!

Um auf die Straße zu gelangen, muss ich einem Schotterweg zwischen den Nachbarshäusern folgen. Einige Frauen stehen vor den Toren, quatschen, putzen sich die Zähne oder waschen ihre Wäsche. Ein Kind rennt aus dem Hof heraus, vermutlich das gleiche, das sich eine halbe Stunde zuvor die Seele aus dem Leib geschrien hat. „Obroni, byebye!“, ruft es mir fröhlich zu. Ich habe zwar mittlerweile beschlossen auf diese Bezeichnung nicht mehr zu reagieren, aber das Kind weiß es einfach nicht besser und freut sich eigentlich nur, mich zu sehen. Also grüße ich die Frauen und winke dem Kind im Vorbeigehen lächelnd zu. Das heißt aber lange nicht, dass das Kind auch aufhört zu rufen. Das tut es erst, wenn ich an der Straße um die Ecke gebogen bin, jeden Tag aufs Neue.

Nun wird es etwas stressiger. Am Straßenrand führt der tiefe Gutter entlang und wenn Autos in beide Richtungen an einem/einer vorbeifahren, kann es manchmal echt eng werden. Man hat das Gefühl, die Menschen eilen alle irgendwohin, auch wenn die meisten im gemütlichen Tempo dahingehen. Ich treffe auf viele Schulkinder in ihren farbenfrohen Uniformen. Die meisten von ihnen wissen leider noch nicht, dass ich auf ihr „Obroni“ nicht reagieren werde.

Die zahlreichen, garagenartigen Shops zu beiden Seiten der Straße sind noch überwiegend geschlossen, aber aus dem schräg gegenüber zum Schotterweg dröhnt bereits die Musik. Hier werden CDs und DVDs aller Art angeboten und unseren gebrauchten Kühlschrank haben wir auch von hier. Die Verkäuferin mittleren Alters lächelt freundlich und winkt mir zu, woraufhin ich sie genauso freundlich wieder zurückgrüße. „Obroni“ nennt sie mich schon lange nicht mehr.
Dies ist die erste „Etappe“ auf meinem Schulweg. Die zweite ist ein kleiner Schneidersalon einige Meter weiter, direkt neben der Calvary Methodist Church. Die beiden jungen Frauen(Schneiderlehrlinge) sind offensichtlich immer als erste vor Ort. Sie wünschen mir stets Guten Morgen und erkundigen sich nach meinem Befinden. „I’m fine and you?“, lautet meine Antwort.
„We are also fine, thank you. Go and come, OK!”
“OK!”, antworte ich im Vorbeigehen.

An der anderen Seite der Kirche biege ich nach rechts auf eine nicht geteerte Straße ab. Ich könnte auch weiter der ausgebauten Straße folgen, doch ein penetranter und viel zu alter „Verehrer“, der dort seinen Laden hat, hat mich bereits zu Anfang meines Aufenthalts gezwungen, meine Route zu wechseln.
Einige v.a. männliche Vertreter der Passanten und Ladenbesitzer rufen mich: „Obroni! Ksss! Ksss! Hey! Bra(come)!“. „Und was für einen Grund sollte ich haben zu „kommen“ und womöglich deshalb noch in der Schule zu spät zu sein?“, denke ich mir und gehe unbeirrt weiter. Es kommt natürlich auf die Situation drauf an, aber meistens ignoriere ich solche Rufe, denn der Ton gefällt mir oft nicht. Daraus resultiert eine große Empörung beim Rufenden, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass eigentlich ich über den Umgang empört sein müsste.

So komme ich bald zu meiner dritten „Station“, den Frauen in einer Backstube. Hier wiederholt sich das gleiche Ritual, diesmal in Fante, von dem mir die Bäckerinnen immer versuchen etwas beizubringen und das nicht immer erfolglos.
Ein paar Meter weiter treffe ich beinahe täglich auf zwei Schülerinnen unserer Primary, die den jungen Sohn einer Kollegin zum Kindergarten einer anderen Privatschule begleiten. Sobald der Kleine mich erblickt, läuft er lachend auf mich zu und umarmt meine Beine, denn höher kommt er einfach nicht. Auch ihn frage ich nach seinem Befinden und natürlich lautet die eingeübte Antwort stets: „I’m fine!“. Da seine Englischkenntnisse eine längere Unterhaltung nicht erlauben, wünsche ich ihm noch einen schönen Tag und verabschiede mich. Der Kleine winkt mir lächelnd zu und lässt sich von den beiden Schülerinnen an der Hand wegführen. Egal von welchem Bein ich an diesem Morgen aufgestanden bin, das rettet immer den Tagesanfang!
Doch nebenbei werde ich zwar nur selten, aber immer noch von den Kindern auf dem nächsten Vorhof angeschrien: „Obroni! Obroni! What ist your name?“. Ich ignoriere sie, denn meinen Namen habe ich denen schon ungefähr 10mal verraten. Vermutlich ist das der einzige Satz, den sie in Englisch zu Stande bringen und das offensichtlich, ohne die Bedeutung zu kennen.

Je näher ich unserer Schule komme, desto mehr Schüler_innen in unseren blau-weißen Uniformen sehe ich. Von jedem/jeder werde ich mit „Good morning, Madam!“ begrüßt. Dabei „salutieren“ die Jungen als Zeichen des Respekts und die Mädchen vollführen einen Knicks. Bestimmte Schülerinnen nehmen den Lehrer_innen gerne die Taschen ab und tragen sie voraus.

Meine nächste und letzte Station ist ein weiterer Schneidersalon, der von einer jungen Frau geleitet wird. Eines Tages sprach sie mich an und sagte, sie möchte, dass ich sie begrüße, wenn ich vorbeigehe. Seit dem tue ich das auch brav. Also nochmals das gleiche!
Nur wenige Meter weiter befindet sich bereits das Schultor. Sobald ich auf dem Gelände bin, kann ich wieder durchatmen. Man glaubt gar nicht, welche Konzertration und wie viel Energie es manchmal abverlangt, durch die Straßen Swedrus zu gehen.

Sonntag, 5. Februar 2012

Mein "Typischer Tag"

Ja genau, es wird so eine typische, stinklangweilige Tagesbeschreibung werden!. Da ich nun aber bereits seit ca. fünf Monaten hier bin, ist es nicht erstaunlich, dass eine gewisse Routine eingekehrt ist. Das ist sie ehrlich gesagt nach einigen Wochen bereits. Außerdem bietet dieses „Genre“ eine gute Möglichkeit, die Dinge, die für mich mittlerweile zur Normalität geworden sind, besser zu erklären. Also fange ich mal an, mit

Morgens
Das erste Mal wache ich meistens so gegen 5.00 Uhr auf, weil Esi jeden Tag zu dieser Zeit anfängt die großräumigen Hausflure und den Hof zu fegen. Manchmal werde ich auch schon früher von der lauten und irgendwie aggressiven Stimme eines Straßenpredigers geweckt. Daran habe ich mich jedoch bereits nach der ersten Woche gewöhnt. Mittlerweile drehe ich mich nur noch auf die andere Seite und schlafe weiter. Ab und zu kriege ich die Geräusche überhaupt nicht mehr mit.
Um 6.00 Uhr verkündet dann die Frauenstimme aus meinem kleinen, blauen Nokia unter dem Kopfkissen, es sei Zeit aufzustehen. Wenn ich Glück habe, bin ich in diesem Moment eh nicht mehr im Tiefschlaf. Meistens habe ich jedoch weniger Glück und stelle nach ca. einer Viertelstunde mit Schrecken fest, dass ich beinahe wieder eingeschlafen wäre. Dann versuche ich so schnell wie möglich den Eingang im Moskitonetz zu finden und herauszukrabbeln.

Wenn das Licht erst einmal an ist, kann man nach der Seife in meinem mächtigen Wandschrank suchen. Mir ihr, einem Handtuch und dem sog. Sponge bewaffnet, geht’s ins Bad zwei Räume weiter. Aber zuerst muss die Zimmertür abgeschlossen werden. Seit Ende August der Videorekorder aus dem Haus gestohlen wurde, hat Maame-Jennifer Angst, man würde es im weitläufigen Haus gar nicht mitkriegen, wenn jemand sich an unserer Habe bereichern wollte.
Auf dem Weg begegne ich beinahe jedes Mal OldLady, vermutlich da ihr Zimmer direkt neben meinem ist. Ich: „Good morning!“. Darauf folgt das morgendliche Ritual: „Good morning, Ma. How are you?”
“I’m fine and you?”
„Fine, fine…“ Am Anfang kam ich mir dabei immer super bescheuert vor, immer die gleichen zwei Sätze mit der Oma zu wechseln, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.

Vor der Badezimmertür angekommen, muss man den Lichtschalter neben der Toilettentür betätigen, denn die beiden sind vertauscht und bevor man sich auszieht und in die Badewanne steigt, sollte man darauf achten, ob aus dem Wasserhahn auch immer noch Wasser in den darunter stehenden Eimer tropft. Leider ist Fließendwasser nicht immer gewährleistet. Manchmal gibt es den ganzen Tag keins. Aber für diesen Fall sind wir auch gewappnet: Im Haus gibt es mehrere Bottiche, die bis zu 80L fassen und die werden auch sofort aufgefüllt, wenn die Wasserleitungen wieder voll sind. Es sei denn man wird so verwöhnt wie wir, als es in den letzten drei Wochen durchgehend Wasser gab. Dann fällt man aus allen Wolken, wenn es plötzlich wieder abgestellt wird und alle Wasserbehälter sind nicht nur leer, sondern trocken. Das kann unter den gegebenen klimatischen Bedingungen wirklich äußerst unangenehm werden.
Nun wenn es dann also kein Wasser gibt, wird der Duschkopf hängen gelassen und stattdessen der einst hellblaue Eimer geschnappt. Die beiden Bottiche mit dem saubersten Wasser stehen in der Küche, also muss ich manchmal etwas hin und herlaufen. Aber ansonsten macht mir das Waschen aus dem Eimer überhaupt nichts aus. Wieso sollte es auch? Ich habe festgestellt, dass eine funktionierende Dusche mit heißem Wasser ein unnötiger Luxus ist. Es ist zwar schön, aber man kommt auch ohne perfekt aus. Ja, sowohl das Wasser aus dem Hahn als auch das aus dem Bottich ist natürlich nicht erhitzt. Das ist also der Moment, in dem ich endlich vollständig aufwache. V.a. jetzt in der Harmattanzeit kann es beim Duschen manchmal echt kalt werden. Der bei Ghanaern hochgeschätzte Sponge, der eher aussieht wie ein Netz (und meine Variante ist natürlich quietschgrün!), hilft einem dabei, sich von dem Gemisch aus halbgetrocknetem Schweiß und Staub auf der Haut zu befreien. Danach fühlt man sich gleich viel besser!

Zurück im Zimmer erinnere ich mich daran, dass ich am letzten Abend zu faul war, meine Schulklamotten zu bügeln und so ist das die nächste Aufgabe, die es zu bewältigen gilt. Einfach so anziehen ist nicht, denn man möchte den peinlichen Moment, wenn man von einer der Kolleginnen darauf angesprochen wird, nun wirklich nicht erleben. Wenn die Tasche gepackt ist und die Klamotten sitzen, begebe ich mich langsam auf die Terrasse, wo das Frühstück meistens bereits auf dem Tisch auf mich wartet. Fragt mich nicht, was ich immer so lange mache, aber mittlerweile ist es schon so gegen 7.00Uhr.

Während ich mein Frühstück genieße, schreit eins der Kinder in einem der benachbarten Häuser, wie am Spieß. Vermutlich will es nicht aufstehen, sich waschen lassen, oder zur Schule gehen und raubt seiner Mutter gerade den letzten Nerv. „Agona Teeea Breeeaaad!“ ertönt es hinter der Gartenmauer. Das ist eine der Straßenverkäuferinnen, die lautstark ihr Brot anpreist. Der Hund flippt völlig aus und rennt bellend an der Mauer entlang, über der er den Brotkasten auf dem Kopf der Frau auf und ab schaukeln sieht.
Zum Frühstück kriege ich Brot, Butter und ein gebratenes Ei. Die Eier machen sie hier echt genial, mit Zwiebel und Tomate, nur sparen sie mit dem Salz oft etwas. Zur Zeit gibt es auch oft einfach nur Avocado zum aufs Brot schmieren, denn der Baum im Garten trägt gerade Früchte. Dazu gibt es immer heißes Wasser und so eine Art Kakaopulver, das ich damit mischen kann. Wirklich sehr lecker! Etwas seltener gibt es auch mal Reis- oder Haferbrei, weil mir das immer zu viel ist und die Mutter aus diesem Grund annimmt, dass ich es nicht mag.
Das Frühstück könnte ich mir natürlich auch selber zubereiten, aber für meine Gastmutter ist die Sache ganz klar: Dafür gibt es Esi! Immerhin ist es mir gestattet, das Geschirr selbst abzuwaschen und so schleppe ich als Nächstes das Ganze auf einem Tablett in die Küche, die sonst von allen nur als eine Art Abstellraum benutzt wird. Unterwegs schaue ich noch im Zimmer der Gastmutter vorbei, falls ich sie nicht vorher schon auf der Veranda gesehen hatte. Mit ihr gibt es nämlich ein ähnliches Morgenritual wie mit der Oma.

Bald nach dem Zähneputzen gehe ich los. Zimmertürabschließen nicht vergessen! Manchmal sind alle anderen bereits aus dem Haus, sodass Sarah(meine Mitbewohnerin) und ich auch dafür sorgen müssen, dass die Schlösser an der Eingangstür und der Terrassentür geschlossen werden. Falls nicht, darf man das beliebte, langgezogene „Bye Bye“ nicht missen lassen. Wenn alle geantwortet haben, kann man schließlich gehen.